Die Stadt der Träumenden Bücher

„Ja, ich rede von einem Ort, wo einen das Lesen in den Wahnsinn treiben kann. Wo Bücher verletzen, vergiften, ja, sogar töten können. Nur wer wirklich bereit ist, für die Lektüre dieses Buches derartige Risiken in Kauf zu nehmen, wer sein Leben auf’s Spiel setzen will, um an meiner Geschichte teilzuhaben, der sollte mir folgen.
Allen anderen gratuliere ich zu ihrer feigen, aber gesunden Entscheidung, zurückzubleiben.

Macht’s gut ihr Memmen!
Ich wünsche euch ein langes und sterbenslangweiliges Dasein und winke euch in diesem Satz Adieu!“

Hildegunst von Mythenmetz, die Stadt der Träumenden Bücher, S.9
(aus dem Zamonischen von Walter Moers)

Genre: Humoristische Fantasy

Warum dieses Buch?

Liest man viel Fantasy, so wird man feststellen, dass es oftmals sehr ernst zugeht. Es geht oftmals um nichts Geringeres, als die Rettung der Welt vor Unterdrückern, übellaunigen Drachen, Diktatoren, Imperatoren oder dem Bösen selbst. Eine schöne Abwechslung bieten da Autoren wie Walter Moers oder Terry Pratchett(auf den ich allerdings ein andermal eingehen möchte). Wir bewegen uns in den Gefilden der humoristischen Fantasy.

Die Werke dieses Sub-Genre zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass ihre Schöpfer die Welt mit einem Augenzwinkern betrachten. Damit ist keine bloße Aneinanderreihung von Witzen gemeint. Vielmehr geht es um Geschichten die beim ersten Lesen zwar unterhaltsam sind, ihr volles Potential jedoch beim Nachdenken darüber entfalten. So beschreibt dieses Buch zwar die klassische Heldenreise, indirekt geht es jedoch um die Macht des Geschrieben Wortes, frei nach dem Motto: „Die Feder ist mächtiger als das Schwert.“ Walter Moers treibt dieses Sprichwort mit seinem Werk auf die Spitze, hier sind Bücher, das geschriebene Wort, tatsächlich physisch gefährlich.

Ich habe mich gegen die 13 1/2 Leben des Käpt’n Blaubär entschieden, da dieses das bekanntere Buch von Walter Moers ist und die Reihenfolge dem Lese-Erlebnis keinen Abbruch tut.

Exkurs: Zamonien

Bevor ich auf das Buch eingehe, möchte ich die unweigerlich aufkommende Frage „Wer oder was ist Zamonien?“ beantworten.
Zamonien ist ein von Moers erdachter Kontinent, auf dem die interessantesten Lebewesen vertreten sind. So gibt es neben den klassischen Werwölfen, Dämonen und Hexen diverse andere Lebewesen, die zu erläutern ein eigenes Buch füllen würde. Es sei nur soviel gesagt: Es gibt hier Lindwürmer, die auf diesem Kontinent erstens nicht wirklich bösartig und zweitens die besten Schriftsteller sind. Entsprechend ist Zamonisch, wer hätte das gedacht, die Sprache der Bewohner des Kontinents.

Das Buch

IMG_20160521_065815

Ich schreibe die ganze Zeit davon, dass „Die Stadt der Träumenden Bücher“ ein Werk von Moers ist, was an und für sich völliger Humbug ist. Wie schon bei seinem Buch „Ensel & Krete“ fungiert Walter Moers lediglich als Übersetzer. Ursprünglich sind in dem Buch die Reiseerlebnisse von Hildegunst von Mythenmetz, einer jener sprachbegabten Lindwürmer, dokumentiert. Sie erzählen das Abenteuer, durch das er das Orm erlangte und dadurch zum berühmtesten Dichter seiner Zeit wurde. Das Orm ist eine unbestimmbare Kraft, die Dichter durchströmt und sie so zu unglaublichen schriftstellerischen Leistungen befähigt. Doch von vorne:

Lindwürmer sind in Zamonien nicht nur intelligent, sondern auch schriftstellerisch begabt. Sie leben auf der Lindwurmfeste und richten ihren gesamten Lebensinhalt auf die Schriftstellerei aus. Mit dem Eintritt ins Lesealter bekommen sie von ihrem Vormund einen Dichtpaten zugeteilt. Dieser führt sie in die Welt des geschriebenen Wortes ein.

Die Geschichte um Hildegunst von Mythenmetz beginnt am Sterbebett seines Dichtpaten. Dort muss er diesem das Versprechen abnehmen, sich mit dem besten Text den es ja gab auseinander zu setzen und dessen Verfasser sogar zu übertreffen. Die darauf folgende Reise führt den angehenden Schriftsteller schließlich nach Buchheim, der Stadt der träumenden Bücher. Wie der Name vermuten lässt, dreht sich dort alles um Bücher in jeder erdenklichen Form. Begeistert erkundet er die Stadt und sammelt erste Erfahrungen mit Lesestuben, Antiquariaten, Verlegern und den gefürchteten Bücherjägern. Als er sich auf die Suche nach dem Verfasser des besten Textes den es je gab, macht, lernt er jedoch die andere Seite, die dunkle Seite Buchheims kennen. Denn die Lesestuben, Antiquariate und Buchläden bilden nur die Oberfläche der Stadt und der Lindwurm findet sich bald umgeben von gefährlichen Büchern, Fallen und Buchlingen in den beengten Weiten der Katakomben wieder.

Nice to know

Mit der Stadt der träumenden Bücher übersetzt Walter Moers einen Teil des ersten Buches von Hildegunst von Mythenmetz, dem berühmtesten Schriftstellers Zamoniens. Warum er nur einen Teil der „Reiseerinnerungen eines Sentimentalen Dinosauriers“ übersetzt hat, erklärt er gegen Ende des Buches selbst: „Reiseerinnerungen eines Sentimentalen Dinosauriers war das erste Buch von Mythenmetz, das in Zamonien in gedruckter Form erschien, aber es umfasst in der Erstausgabe über zehntausend Seiten, verteilt auf 25 Bände, und würde mein komplettes Leben verschlingen, wollte man es in ganzer Länge übersetzen und herausbringen. „Die Stadt der Träumenden Bücher“ sind lediglich die ersten beiden Kapitel dieses Buches.“

Die Bücher um den Kontinent Zamonien sind miteinander stark verflochten. So gibt es diverse Schlüsselfiguren, die immer wieder auftauchen. So taucht die Figur des Smeik, eine Haifischmade(der Name ist Programm nur mit mehr Armen), neben diesem Buch unter anderem auch in „Die 13 1/2 Leben des Käpt’n Blaubär“ und „Rumo  & Die Abenteuer im Dunkeln“ auf. Ob es sich um die gleiche Figur handelt ist nicht klar. Neben Smeik gibt es noch weitere Figuren, die eine Rolle spielen und die einen um die chronologische Reihenfolge der Romane rätseln lassen.

Viele Namen bedeutender Persönlichkeiten Zamoniens wirken auf den ersten Blick wirr. das liegt daran, dass sie Anagramme realer Personen sind. So handelt es sich bei „Ohjann Golgo van Fontheweg“ um Johann Wolfgang von Goethe. Aus „Perla La Gadeon“ wird Edgar Allan Poe und „Abradauch Sellerie“ zu Charles Baudelaire, um nur einige Beispiele zu nennen. Hält man sich das vor Augen, beginnt bei jedem seltsam anmutenden Namen das Rätseln von vorne.

Den Grund für die schriftstellerische Begabung der Lindwürmer, erfährt der Leser in diesem Buch nicht. Vielmehr wird der Leser vom Autoren auf die Bücher „Ensel & Krete“ und „Rumo“, zwei anderen von Moers Werken, verwiesen.

Am Ende des Buches fordert Walter Moers seine Leser dazu auf, über sein nächstes Projekt abzustimmen. Seine Mailadresse beim Verlag lautet entsprechend seiner Figur: mythenmetz@piper.de

Hinterlasse einen Kommentar